cleopatrick
Die Geschichte des kanadischen Duos cleopatrick zu hören, ist wie der Plot des besten, zutiefst befriedigenden Coming-of-Age-Films, der nie gedreht wurde. Zwei Freunde lernen sich im Alter von vier Jahren in der Kleinstadt Cobourg, Ontario (Bevölkerung: 19.000) kennen, wachsen unzertrennlich auf, gründen eine Band und werden - trotz zahlreicher Hürden - zu einer echten globalen Underground-Sensation. Es gibt Helden und Widersacher, Höhen und Tiefen und einige fast schon zu perfekte, aber tatsächlich wahre Wendungen.
Nehmen wir zum Beispiel die Geschichte ihres Durchbruch-Hits "hometown" aus dem Jahr 2017. "Das ist eine der verrücktesten, ironischsten Geschichten, die je passiert sind", beginnt Sänger und Gitarrist Luke Gruntz. "Ich war am College, weil ich zu viel Angst hatte, alles auf die Karte Band zu setzen, und genau darum geht es in ‚hometown‘: Es ist ein Song darüber, wie wir all das machen, wie wir so hart arbeiten und dennoch das Gefühl haben, niemals gehört zu werden. Es ist buchstäblich ein Song darüber, dass wahrscheinlich niemand unsere Songs hören wird. Und dann, durch irgendeine Fügung des Universums, war genau dieser Song unser Türöffner."
Heute verzeichnet cleopatrick mehr als 77 Millionen Streams - alles dank einer stetig wachsenden Fangemeinde, die das Duo, bestehend aus Luke Gruntz und Schlagzeuger Ian Fraser, auf ihre eigene Weise entdeckt hat: Ohne Major Label, ohne großes Budget - einfach zwei beste Freunde, die sich reinhängen, einen einzigartigen Sound entwickeln und die ehrliche, empathische und dennoch kraftvolle Rockmusik erschaffen haben, nach der sie selbst jahrelang gesucht hatten.
Aber springen wir zurück ins Jahr 2002, in einen kanadischen Kindergarten. "Es gab nur drei Jungs in unserer Klasse, und als vierjähriger Junge sind Mädchen eben eklig", lacht Ian. "Ich erinnere mich, dass es Luke und noch einen anderen Jungen gab; der andere war kurz dabei, aber es hielt nicht lange." - "Es war so, dass wir durch unsere Beziehung unsere Persönlichkeiten entwickelten und so herausfanden, wer wir sind", fährt Luke fort. "Wenn ich etwas Cooles fand, zeigte ich es Ian, und wir mochten es dann gemeinsam - Musik war ein wichtiger Teil davon."
Mit acht Jahren schmiedeten beide Elternpaare den Plan, ihren Söhnen zu Weihnachten Gitarren und Musikunterricht zu schenken - "Wie eine arrangierte Hochzeit, aber mit Karriere", witzelt Ian. Von da an experimentierten sie in Schulbands, bevor sie merkten, dass sie die einzigen waren, die es mit Musik ernst meinten. (Warum cleopatrick kein Bassist hat? In Cobourg gab es einfach keine Alternativen.)
Doch wenn man denkt, dass eine Kindheit voller AC/DC-Fanboymomente (insbesondere die ersten Sekunden von "Back in Black") nicht zum Leben in einer Kleinstadt passt, so sehen cleopatrick genau darin ihren Vorteil. "Weil wir von dort kommen und eher entspannte Typen sind, denken wir über die Welt anders", sagt Luke. "Ich habe früher Veranstaltungsorte angerufen, um Shows zu buchen, und am anderen Ende war dann nur der Barkeeper, der sagte: ‚Ich arbeite hier nur...‘. Ich habe letztens alte E-Mails gelesen, in denen wir Sportbars gefragt haben, ob wir auftreten dürfen - keine einzige Antwort. Aber genau diese Unschuld war unser Glücksschlüssel. Wir haben die Band aufgebaut, auf unsere Weise, außerhalb des Systems - und das hat funktioniert."
Mit der Zeit entwickelte sich auch ihr Musikgeschmack: Ihre Liebe zu Hip-Hop - insbesondere Drake und Kendrick Lamar - begann, ihren Stil zu prägen. Sie wollten Rockmusik schreiben, die genauso kraftvoll wie Hip-Hop klingt, aber ehrlich über ihre eigenen Erfahrungen spricht. Nach dem Durchbruch mit "hometown" folgten ihre erste Kanada-Tour, eine eigene Headline-Tour und sie landeten auf dem Cover von Spotifys "Rock This"-Playlist. "Ich arbeitete damals in einem Café, Ian im Baumarkt, und plötzlich bekamen wir E-Mails vom Head of Rock bei Spotify", erinnert sich Luke. "Das war wie bei Hannah Montana - zwei Leben gleichzeitig", lacht Ian.
Seither veröffentlichen sie in ihrem Tempo: 2018 erschien ihre EP "the boys", dazu einige Singles. Sie tourten durch Kanada, die USA und Europa, spielten bei Lollapalooza, Austin City Limits, Reading/Leeds und wurden bei Amazon und Apple Music als "Ones to Watch" gelistet. Parallel dazu arbeiteten sie an "BUMMER" - ihrem Debütalbum, das ihre zwei Jahrzehnte lange Freundschaft in eine Platte verwandelt, die das Rock-Genre von Grund auf neu definieren will.
Dabei orientieren sie sich am Ethos ihrer "New Rock Mafia" - einem Kollektiv von Freund:innen und Bands, das sich für eine inklusivere, gleichberechtigte Rockszene einsetzt. "BUMMER" vereint diesen Spirit mit einem Sound, der hart und laut sein will, aber mit ehrlichen, zugänglichen Texten. "Wir wollen, dass unsere Musik so groß klingt wie Hip-Hop im Club - mit fetten Bässen, lauten Drums und direktem Gesang", erklärt Luke. "Aber inhaltlich wollen wir Songs schreiben, mit denen sich jeder identifizieren kann. Der klassische Rock-Kram über Drogen, Alkohol und Sex ist so heuchlerisch - das macht mich wütend. Jugendliche, die Gitarrenmusik hören und etwas daraus ziehen wollen, verdienen mehr als diese Lügen."
Produziert wurde das Album von Jig Dubé, einem 21-jährigen Freund aus dem NRM-Kreis. Es ist ein Zeitdokument - inspiriert von ihren Anfängen in der Kleinstadt (die zweite Single "THE DRAKE" entstand nach einem Auftritt, bei dem frühere Schul-Mobber auftauchten und im Moshpit prügelten), aber voller Hoffnung auf eine bessere Zukunft.
Im Kern ist "BUMMER" ein Album über zwei Freunde, deren gemeinsame Geschichte mit Kindergartenfotos in identischen Pullis begann - und die jetzt ein Statement setzen für den Wert von Loyalität und Leidenschaft.
"Zu sehen, wie weit wir gekommen sind und dabei trotzdem noch dieselben Typen zu sein wie am Anfang - das ist cool", sagt Ian. "Obwohl sich viel verändert hat, bleibt die Vision gleich." - "Wir vergleichen das Album mit der Voyager-One-Sonde", fügt Luke hinzu. "Alles über uns steckt drin. Wir wissen nicht, ob es jemand versteht oder ob es jemanden interessiert, aber es fühlt sich gut an, dass es draußen ist. Es ist unser kleiner Weg, für immer zu leben."